Navigation auf uzh.ch
Der Orelli-Saal ist nicht nur wegen seiner prachtvollen barocken Stuckaturen seit seiner Errichtung im 17. Jahrhundert ein aussergewöhnlicher Raum. Auch trägt er symbolischen Wert: Benannt ist er nach Johann Caspar von Orelli (1787–1848), dem Gründervater der Universität Zürich.
Nach seiner Ausbildung an der reformierten Theologenschule Carolinum in Zürich betätigte sich Orelli schon früh leidenschaftlich in der Lehre: Zuerst in Bergamo als Prediger, danach in Chur an der Kantonsschule als Lehrer von modernen Sprachen und Geschichte und ab 1819 als Professor für Redekunst und Hermeneutik am Carolinum. Die Unterlagen in seinem Dozierendendossier zeigen, wie sehr ihm das Unterrichten am Herz lag. Seine Philosophie: «Es kommt nicht so sehr darauf an, was gelehrt werde, als wie es gelehrt werde. Die Aufgabe ist, dem Schüler zu zeigen, wie er hernach selbst fortzustudiren, wie er in der Folge andere zu lehren habe. Es muss Interesse und Enthusiasmus für die Wissenschaft geweckt werden: denn ohne Enthusiasmus wird die Wissenschaft nur scheinbar aufgenommen; sie bleibt Aussenseite, dringt nicht in das Innere und gestaltet sich im Geiste auch nicht zu einem Ganzen.» Dabei solle der Lehrer in seinem Beruf «frei mit Lust und Liebe wirken können, wie es seine Individualität mit sich bringt; dann geht es gut.» Doch nicht nur war Orelli begeistert von seinem Beruf – er begeisterte auch seine Schüler. So sind Briefwechsel von ihm und seinen Schülern erhalten, welche von sehr freundschaftlichen Beziehungen zeugen. So schrieb Orelli an seinen Schüler Martin Hössli: «Sey’ überzeugt, dass ich für Dich alles so machen werde, wie für einen Bruder.» Die Antworten seines Schülers fielen nicht minder herzlich aus, was sich bereits in Hösslis Anrede zeigt: «Mein bester Lehrer und mein väterlicher Freund!» Ein anderer Schüler teilte Orelli mit, wie sehr die Schülerschaft in Chur seit seinem Fortgang von der Schule ihren «Verlust recht innig» fühlte. Orelli war ein Lehrer mit Herzblut und für seine ausserordentliche Lehrtätigkeit wurde ihm in Chur sogar das Kantonsbürgerrecht und das Bürgerrecht im Gotteshausbund geschenkt. Geblieben ist er trotzdem nicht, da er vergrault worden sei. Weiter ging es für ihn nach Zürich. Hier unterrichtetete er am Carolinum und wurde 1831 Mitglied des neu organisierten Erziehungsrats. In Zürich schickte er sich an, das reformbedürftige Zürcher Schulwesen umzugestalten. Er stiess auf Proteste seitens der Konservativen – vor allem, als 1839 David Friedrich Strauss (1808–1874), ein heftig umstrittener Theologe aus Tübingen, an die Universität berufen wurde. Die Debatte über seine Anstellung wurde sowohl von den Liberalen wie auch von den Konservativen polemisch ausgetragen. Orelli setzte sich stark dafür ein, dass ausländische Intellektuelle an die Universität geholt wurden. Doch vergeblich: Strauss kam nicht nach Zürich und die Liberalen verloren durch die eskalierten Debatten beim Züriputsch zwischenzeitlich die Macht. Orelli wurde daraufhin aus dem Erziehungsrat ausgeschlossen. Trotz dieser Demütigung erlebte er noch mit, dass die Konservativen in den 1840er Jahren ihre Macht wieder verloren und politische Flüchtlinge erfolgreich im Bildungssystem integriert wurden. Genau dafür hatte sich Orelli Zeit seines Lebens eingesetzt. Heutzutage ist die Universität mit über 250 anderen Universitäten weltweit vernetzt. Sie ermöglicht damit nicht nur ausländischen Studierenden nach Zürich zu kommen, sondern auch den Zürcher Studierenden sich im Ausland weiterzubilden und Erfahrungen zu sammeln. Nicht nur den internationalen Austausch der Universitäten regte Orelli an, auch das Turnen wollte er für eine erfolgreiche Lehre fördern. Der Akademische Sportverband Zürich wurde zwar erst später gegründet, seine Wurzeln reichen aber bis in Orellis Zeit zurück.
Architektonisch setzte nicht nur der Raum, sondern das ganze Haus in Zürich neue Massstäbe. Es wurde 1630 vom Ratsherren Rudolf Waser ausserhalb der alten Stadtbefestigung errichtet und diente als Landsitz im Rebgelände. Damals war es unter dem Namen «das Gut zum Oberen Berg» bekannt. Als die Familie Orelli-Meyer das Haus kaufte, wurde es 1691 und 1693 barock umgebaut, in der Gestalt wie es bis heute noch erhalten ist. Innen wurde es reichlich ausgestattet und ausgeschmückt – die Stuckateure Samuel Höscheler und Hans Jakob Schärer waren hier am Werk. Sie setzten mit dieser Arbeit einen neuen ästhetischen Standard und profilierten sich für die spätere Ausschmückung des Zürcher Rathauses. 1731 ging das Haus an die Familie Escher über, die es bis 1834 besass und 1737/38 mit einem Gartenpavillon ergänzte. Danach übernahm es die Familie Stockar, von welcher das Stockargut seinen Namen heute noch hat. 1906 kaufte der Kanton Zürich die Liegenschaft für die Erziehungsdirektion.
Im Jahr 1936 bezog schliesslich das Rektorat der Universität Zürich das Stockargut. Auch das Anthropologische Institut war ab dann in diesen Räumlichkeiten untergebracht, bis es 1979 in den Neubau am Irchel zog. Im Orelli-Saal fand dessen Schausammlung Platz, wohl als eine Vorstufe des Anthropologischen Museums. Nach umfassenden Renovierungsarbeiten stand der Saal laut Jahresbericht 1979/80 ab 1979 ebenfalls dem Rektorat zur Verfügung. Unter dessen Schirmherrschaft wurde und wird der Saal vielseitig genutzt: Mitte der 1980er Jahre fungierte der Orelli-Saal noch als «Begegnungszentrum für Dozierende». Die Universitätsleitung hält dort bis heute ihre wöchentlichen Sitzungen ab und der Saal dient ebenfalls als repräsentativer Ort, um Tagungen und besondere Anlässe durchzuführen.
(StAZH) Z 1139.758 Dozierendendossier Johann Kaspar von Orelli
Fischer, Andreas: Orelli (Apropos). In: UZH Journal Nr. 2/2013.